Konflikte – ewiger Fluch im Job? Wie du vom Konfliktvermeider zum Konfliktprofi wirst

Unruhe und Konflikte in Teams und Organisationen sind lästig und ärgerlich und nervig und so wahnsinnig unproduktiv. Genauso wie in privaten Beziehungen. Streit ist doch eigentlich immer überflüssig und kräftezehrend. Wie schön wäre die Welt ohne Konflikte?

Wirklich? Ja, irgendwie schon. Natürlich wäre es toll, wenn alles immer nur harmonisch wäre. Aber wenn ich ehrlich bin, habe ich immer dann am meisten gelernt, wenn ich mich einem Konflikt (mit mir selbst oder mit anderen) gestellt habe und ihm so richtig auf den Grund gegangen bin. Und das zeigt mir auch meine Arbeit mit Menschen, Teams und mit Organisationen: Entwicklung ist immer das Ergebnis von Auseinandersetzung. Deshalb die folgende, steile These (angelehnt an Ronald Heifetz, Harvard):

Konflikte sind fast immer produktiv und eine großartige Gelegenheit, im Dienst einer Sache wirkungsvoll zu führen.

Denn Konflikte zeigen uns:

  • Wo Veränderungsarbeit stattfinden muss

  • Wo Dissens in einem Team vorherrscht und ernst genommen werden muss

  • Wo Brücken zwischen verschiedenen Teilen eines Teams oder eines Unternehmens gebaut werden sollten

  • Wo Leitung und andere Teammitglieder neugierig nachfragen können: Du scheinst das anders als ich zu sehen. Kannst du mir bitte mehr erzählen?

Für Menschen ist es unterschiedlich leicht, Konflikte auszuhalten. Mir fällt es beruflich als Trainerin und Beraterin recht leicht, weil ich dort von außen beobachte und Impulse gebe. Privat tue ich mich schwerer. Hier bin ich selber Teil des Systems und vertrete eigene Interessen. Ob jemand Konflikte gut toleriert variiert also auch je nach Situation.

Wenn du jemand bist, die panisch reagiert, wenn es konflikthaft wird, versuchst du vielleicht Harmonie herzustellen: Du versuchst Lösungen anzubieten oder durchzusetzen, bemühst dich zu beruhigen und zu besänftigen, den Konflikt zu vermeiden oder es „schön“ zu machen. Dann wird es aber sehr schwer für dich zu führen (Führung? Was ich damit meine erfährst du hier). Denn du vermeidest genau den Punkt, an dem ein Konflikt ausdiskutiert werden kann, und zwar von den Personen, die ihn haben – und die den Konflikt in einen Kompromiss oder eine andere Form der Auflösung überführen könnten.

Konflikte auszuhalten kann man lernen. Ähnlich wie Schwimmen oder Fahrradfahren. Im ersten Schritt geht es dabei erstmal darum, den Konflikt auszuhalten – nicht ihn zu lösen. Hier sind fünf Strategien, die du dafür in der nächsten Konfliktsituation anwenden kannst:

  1. Sage dir: „Jetzt gerade übe ich meine Konflikttoleranz“.

  2. Halte inne und achte auf deine Gefühle. Schätze deine Anspannung auf einer Skala von 0-10 ein, wo null „gar nicht angespannt“ und zehn „voll und ganz angespannt“ ist. Beschreibe dein Gefühl. Sage dir dann: „Ich habe dieses Gefühl – ich bin es aber nicht.“

  3. Wenn es schwierig wird, nichts zu sagen: Benenne die Gefühle, die „in der Luft“ sind (und nicht Lösungen, die dir vorschweben oder die Maßnahmen, die es angenehmer machen könnten). Sage zum Beispiel: „Ich habe den Eindruck, viele sind gerade sehr genervt. Was ist eigentlich gerade genau los?"

  4. Frage dich in einer ruhigen Minute danach: Was macht es mir schwer den Konflikt auszuhalten, welcher Nerv wird bei mir getroffen? Das wird dir helfen besser zu verstehen was deine Toleranz für Konflikte niedrig hält. Die Antwort liefert dir außerdem unmittelbar Ideen, wo du dich entwickeln kannst 😊

  5. Nimm Kritik nicht persönlich, sondern verstehe sie aus der Rolle heraus, die du in diesem Kontext hast. Ein Beispiel: Deine Mitarbeiter sind durch hohe Arbeitsbelastung frustriert und teils überfordert. Ihre Kritik hat womöglich viel damit zu tun, dass du der Überbringer schlechter Nachrichten bist („Die Arbeit muss getan werden und als Führungskraft mute euch diesen Frust zu“) als mit deiner Person.

Viel Spaß und Mut beim Ausprobieren! Vielleicht hast du weitere Vorschläge, wie du deine Konflikttoleranz verbessern kannst?

Natürlich gibt es auch Konflikte, die zu nichts führen oder sogar schaden. In einem nächsten Post werde ich erzählen, wie du produktive von unproduktiven Konfliktsituationen unterscheiden kannst.